Artificial Intelligence (AI), so der englische Begriff, ist keine Zukunftsmusik, sondern längst Realität. Einsatzmöglichkeiten gibt es bereits viele, sie müssen nur entdeckt werden.
"Frag doch deine neue … Alexa", die Antwort auf eine Frage an Siri war eine lustige Twitter-Perle mit ernstem Hintergrund. Denn tatsächlich scheint es so, dass Amazons digitaler Assistent Alexa an Apples Siri, Microsofts Cortana und Googles Assistant vorbeizieht und in Sachen Produktintegration die Führungsposition einnimmt, wie die Computerwoche nach einem Rundgang der CES Anfang 2017 konstatierte. Entsprechende Software Development Kits (SDKs) für Smartphones bringen künstliche Intelligenz (KI) unters Volk. Die kleinen Programme finden mitunter erstaunlich gute Antworten auf viele Fragen: Sie wissen nicht nur, wie das Wetter wird, sondern warten auch mit umfassenden Wikipedia-Artikeln und anderem Wissen auf.
Andere eher volkstümliche Beispiele für KI oder AI sind Computerspiele und die Handschriften- oder Gesichtserkennung. Von B2C-Szenarien abgesehen gibt es jedoch eine wachsende Zahl von B2B-Anwendungen, auch wenn sich die Bereiche in Zukunft sicherlich zunehmend überschneiden werden. Man denke dabei nur an selbstfahrende Autos („Autonomes Fahren“) sowie an Drohnen.
Diese ursprünglich vornehmlich militärisch eingesetzten Fluggeräte finden sich mehr und mehr in privater Hand. Auch Logistikunternehmen wie Amazon und DHL haben schon Konzepte vorgestellt, in entlegeneren oder schwer zugänglichen Regionen künftig intelligente Drohnen einzusetzen. Einige Postunternehmen wie DPD bauen dagegen auf selbstfahrende Fahrzeuge und Roboter. Dank Skaleneffekten sind die Transportroboter auch für mittelständische Unternehmen erschwinglich geworden.
Künstliche Intelligenz ist natürlich weit mehr als nur Spaß und Spielerei oder "Siri gegen Alexa"-Geplänkel. Die Technologien stoßen heute schon in viele Berufsfelder vor, die man vor einigen Jahren gar nicht vermutet hätte und die Sorge schüren, dass KI und Roboter mehr und mehr zu Jobkillern werden. Die tatsächlich bezahlten Honorare für schriftliche Übersetzungen sinken beispielsweise, weil Google Translate und Co. immer passablere Ergebnisse liefern.
IBM Watson beherrscht zum Beispiel auch die verschiedenen Höflichkeitsformen und komplizierte Arten des Sprachbaus mit Affix-Endungen, wie im türkischen Wort evlerimde (in meinen Häusern), abgeleitet von ev für Haus. Hinzu kommt, dass Japanisch Fremdwörter aufsaugt wie kaum eine andere Sprache. Deutsche Beispiele sind arubaito für Teilzeitarbeit und ryukkusakku für Rucksack.
KI wird im Marketing auch schon für Reportings und Analysen sowie für die Kommunikation mit den Kunden eingesetzt, über den Helpdesk oder die Support-Hotline etwa. Einige Zeitungsverlage lassen Standardmeldungen wie Börsen-News schon von Maschinen schreiben, womit die Stellung einst hoch bezahlter Fachjournalisten zunehmend ins Wanken gerät.
Andererseits schafft künstliche Intelligenz wie alle disruptiven Technologien, von der Dampfmaschine im 18. Jahrhundert angefangen, auch neue Arbeitsplätze und Berufsbilder. Unterm Strich werden aber dennoch weltweit viele Stellen wegfallen. Nicht umsonst ertönt der Ruf nach dem bedingungslosen Grundeinkommen immer lauter, und das nicht von linken Utopisten, sondern von Unternehmensbossen wie dem Telekom-Chef Timotheus Höttges, Tesla-Gründer Elon Musk oder Microsoft-Gründer Bill Gates, der das Grundeinkommen langfristig durch eine Roboter-Steuer finanziert sieht.
Ein kleiner Zeitstrahlüberblick über die künstliche Intelligenz der letzten 10 Jahre.
Quelle: Evernine
IBM ist stolz, dass heute Menschen in 45 Ländern aus 20 verschiedenen Industrien mit Watson arbeiten, "um ihre Arbeit zu verbessern und besser Entscheidungen treffen zu können". Die kognitiven Fähigkeiten von Watson haben 2011 in der Quizsendung Jeopardy schon für Furore gesorgt.
Kognitiv ist von lateinisch cognoscere (erkennen, erfahren, kennenlernen) abgeleitet. Oft mit Intelligenz gleichgesetzt, ist damit die Fähigkeit gemeint, Wissen aufnehmen und verarbeiten zu können. Dazu gehören erinnern, lernen, planen und das Lösen von Problemen, im weiteren Sinne auch Imagination, Glaube und zum Teil auch Emotionen. Letztere sind bei Maschinen zwar noch Science Fiction, aber sich Wissen anzueignen, weiterzuverarbeiten, daraus zu lernen und Schlüsse zu ziehen ist das, was im Idealfall auch künstliche Intelligenz ausmacht.
Anfang 2015 hat IBM bekanntgegeben, mit Watson Patientendaten von iPhone- und Apple-Watch-Kunden auszuwerten und Forschungseinrichtungen und Kliniken zur Verfügung zu stellen. Das kognitive System hilft, neue Erkenntnisse ans Licht zu bringen und findet für Flugzeugpiloten laut IBM die ruhigste Route über den Wolken. Die Sesamstraße nutzt mit Watson das Wissen aus einem halben Jahrhundert Bildungsforschung und über 1.000 Studien, um für jedes Kind individuelle Lerntools zu entwickeln.
Zunehmend bringt sich auch SAP mit S/4HANA ins Spiel. IBM und SAP haben gerade erst ihre Zusammenarbeit erweitert. So soll HANA künftig mit künstlicher Intelligenz von Watson ausgestattet werden. SAP-Kunden finden mit S/4HANA eine gute Basis für KI-Einsatzszenarien.
Das Themenspektrum Internet of Things oder IoT schließt auch sogenannte VR- oder AR-Brillen (Virtual/Augmented Reality) ein, wie sie unter anderem mit Hilfe von SAP zum Teil schon in der Logistik, in der Wartung und Produktion eingesetzt werden. Gepaart mit künstlicher Intelligenz lassen sich über die Datenbrillen nicht nur Informationen aufnehmen, sondern in Echtzeit auswerten, um sie sofort nutzen zu können.
Große deutsche Automobilhersteller wie Audi und BMW haben schon vor Jahren den Einsatz von Datenbrillen in der Fertigung und Wartung erprobt. Eine Vision ist, die vielen Zulieferer und großen Vertragswerkstätten einzubinden und darüber nicht nur Reparatur- und Wartungsaufträge zu beschleunigen, sondern auch wertvolle Kundendaten zu sammeln.
In die Richtung geht Tesla mit Fleet Learning, einem selbstlernenden Netzwerk, um autonomes Fahren sicherer zu machen. Das geschieht, indem über die Elektromobile unzählige Daten über den Verkehr und das Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer gesammelt und gleich verwertet werden.
Produktionsroboter werden in der Kfz-Industrie schon lange eingesetzt, allerdings verrichten diese aus Sicherheitsgründen meist hinter hohen Gittern abgeschirmt von den menschlichen Kollegen ihre Arbeit. Das soll sich mit der Blended Workforce (Mensch-Maschine-Teamwork) künftig zunehmend ändern. BMW hat 2014 im US-Werk in Spartanburg schon gezeigt, dass es geht.
In Japan werden „menschelnde“ Roboter heute schon in der Altenpflege eingesetzt. Sinkende Preise tragen dazu beitragen, dass Industrieroboter nicht nur bei der Großindustrie, sondern auch im Mittelstand immer mehr Einzug halten.
Im Kleinen verrichten heute, mit rudimentärer KI ausgestattet, unzählige Staubsauger- oder Rasenmäherroboter schon ihre Arbeit. Da B2B- und B2C-Lösungen sich immer wieder gegenseitig befruchten, werden sich durch neue Entwicklungen gerade auch für den Mittelstand eine Reihe neuer Möglichkeiten und Geschäftsmodelle eröffnen.
Unternehmen werden sich zukünftig aber sicherlich auch immer wieder die Frage stellen müssen, ob und wie künstliche Intelligenz genutzt werden kann, um Prozesse zu beschleunigen oder neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Ein wichtiger Aspekt wird es dabei sein, die Mitarbeiter mitzunehmen und ihre Cognitive Literacy, sprich ihr kognitives Wissen zu schulen.
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